Samstag, 27. Mai 2006

Daheim

Daheim
Der Alltag holt ein.
Bewahrt die Erinnerung;
Hoffnung, sie baut auf.

Einzelne Szenen
verankern sich im Gehirn
wie Albums Bilder.

Verletzungen gibt’s,
Tote, was Kreuze zeigen,
niemand schreckt das ab.

Nicht nur das Foto
bannt die Momentaufnahme.
Der Geist speichert mehr.

Was wär’ das Leben
ohne die Erinnerung.
Der Weg gibt Hilfen.
Nachbetrachtungen

Meinen Geist setze der Weg in Bewegung in Form von Gedichten, in Form von Gedanken, die mir bei der Erläuterung von ihnen kamen. Sicherlich treffe ich mit letzteren nicht den Geschmack des eine und anderen. Ich schrieb, wie ich bin, den Humor nicht vergessend, mit dem Schalk im Nacken. So freue ich mich auf die Fortsetzung meiner Reise nach Santiago de Compostela. Sie soll Ende September 2006 stattfinden, da möchte ich wieder eine kleine Strecke weiterlaufen. Vielleicht werde ich später, nach der Ankunft der letzten Jahres-Etappe, die Strecke am Stück noch mal gehen. Mit 7o will ich in Rente. Dann hätte ich Zeit. Wer geht dann mit, Notarzt und Krankenschwester?


Ich kann’s verstehen
wenn man den Weg mehrmals macht
nirgendwo gibt’s mehr.

Gemeinsamkeit schweißt,
Erfahrungen verbinden -
wie Dreck und Schönheit.

Strapaze gibt Kraft
oder ist’s die Linie,
die sie dupliziert?

Das Bild des Malers -
mit dem kleinsten Pinselstrich,
es entwickelt sich.

Auch unser Leben
besteht aus Bergen, Tälern,
vorgegeben ’s Ziel.

Wir wünschen uns Glück,
hektisch jagen wir ihm nach,
überseh’n Blumen.

Der Weg hinterlässt
als tiefe Erinnerung -
in Dir den Frieden.

Der Weg, hell strahlt er,
ihn halten Berge nicht auf -
verstecktes zeigt sich.

Der Weg zeigt uns auf
welchen wir gehen sollen -
Steine leiten uns.

Der Weg zeigt Landschaft,
die sich dauernd verändert -
Bewegung bewegt.

Der Weg – kein Ausflug -
er ist Einkehr zu sich selbst -
tiefe Versenkung.

Der Weg, Anspannung,
fordert das Letzte von uns -
kein Berg ist zu hoch.

Der Weg schaltet ab.
Im Gleichklang Körper und Geist -
weit rückt das Daheim.

Der Weg holt’s Denken
aus dem Alltag-Labyrinth -
man sieht die Blume.

Der Weg fokussiert
auf das, was man nicht mehr sah -
des Kindes Lächeln.

Der Weg befördert
zurück in die Einfachheit -
man baut Steinmännchen.

Der Weg verbindet
den Menschen mit der Natur -
wie sie lebt und fühlt.

Der Weg konzentriert
Gedanken hin zur Urform -
zu dem, der sie gab.

Der Weg ist das Ziel -
jeder hat sein eigenes -
sein Kraftfeld baut auf.

Der Weg ist Quelle
lädt jede Batterie auf -
wie ein Jungbrunnen.

Der Weg ist perfekt,
Wanderer sind wild auf ihn -
auf ihre Weise.

Der Weg, die Hitze,
sie schlaucht und macht doch noch stark -
wie der Liebe Pfad.

Der Weg ist magisch
wie auch mancher Leut’s Hände -
innen drin brodelts.

EN. 01.09.2006
(Fortsetzung folgt)
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Der Papst in Bayern

wurde mit Grüß Gott begrüßt,

sichtbar seine Spur.

Tief die christlichen Wurzeln,

auch die des Jakobsweges.

Sichtbar die Muschel

im Wappen des Vatikans,

der Bär trägt die Last,

Geduldig und demütig,

Pilger gehn gesenkten Haupts.

Die Sonne erhellt

sichtbar auch dunkle Wege.

Gleich vor ihr jeder.

Leg Herz in deine Schritte

und Liebe in dein Handeln.

Der heutige Besuch Benedikt XVI. in München war für mich sichtbarer Anlass

zu einer Gedichts-Verknüpfung zum Camino. So taucht wieder (zufällig?)

der hl. Vater in diesen Ausführungen auf.

EN., 9.9.6

Freitag, 26. Mai 2006

Bilbao

Bilbao

In dem kleinen Zelt
faszinierende Urform
von Wolkenkratzern.

Viele Wege gibt’s
keiner hat ein Ziel, doch was,
was ist, wenn man es erreicht?

Ich hörte von wem,
er sei 6x gelaufen.
Kam er an sein Ziel?

Ich sprach mit einem
der fuhr einst per Rad weit her -
nun geht er den Weg.

Eine erzählte
nach den Jahresetappen
ging sie von daheim.

Eine andere
will nun ohne Partner geh’n
ganz unabgelenkt.

Dieser Camino
unabhängig vom Alter
zieht er Menschen an.

Jakobsweg gehen
Menschen vom ganzen Globus
wieso nur, wieso?

Wegen der Pfeile
bedarf man keiner Karte.
Der Kopf ist Kompass.

Mann, 76,
schafft 30 km/Tag
wo kommt die Kraft her?

Beim Abflug nach Mallorca traf ich eine gut aussehende, gepflegte, ca. 40-jährige Pilgerin. Sie sei, sagte sie nach Befragung vage, aus dem Süden Stuttgarts. Daneben erzählte sie mir kleine Erlebnisse. Sie ginge jedes Jahr drei Wochen mit leichtem Gepäck. In Frankreich habe sie vor zwei Jahren begonnen. Nach dem Jahr ihrer Ankunft wolle sie dann von Stuttgart zum Anfangspunkt laufen, um den Weg zu vollenden. Es war eine nette, kurzweilige Unterhaltung, die dann auch den Aufenthalt in Mallorca, sie musste wie ich dort umsteigen, angenehm verkürzte. Man trifft im Leben stets die, die man treffen will und soll. Schließlich geschieht nichts zufällig, alles hat eine Ursache und muss notwendiger weise geschehen. Als ich kurz darauf daheim abends durch die TV Programme zippte, vermeinte ich diese Pilgerin in einer Serie als Hauptdarstellerin wieder zu erkennen. In der TV-Zeitung fand ich ihren Namen – ich kenne keine Schauspieler - und im Internet ihr Bild. Nun verstehe ich, weshalb sie sich über Persönliches zurückhielt. Im Gegensatz zu anderen Pilgern hätte ich sie jedoch nicht um eine Erinnerungsunterschrift oder, was ich noch ätzender finde, ein gemeinsames Foto gebeten. Ich sammle viel, z.B. Atlanten, Schweine, Matshbox Rolls Royce, Kompasse, Würfel u.a. aber keine Autoramme. Unterschriften gebe ich beruflich schon genug. Shirley MacLaine berichtet von unangenehmen Autogrammjägern. Auch VIPs brauchen ihre Ruhe. Mich reizen sie nicht. Bin ich froh, keiner zu sein. Ich akzeptiere, dass diese sympathische Schauspielerin nicht erkannt werden, ein namenloser Pilger, wie alle anderen sein wollte. Das soll auch hier so bleiben. Ich fand sie natürlich, menschlich, nicht eitel oder affig oder gar schicki-micki. Nie wäre ich auf die Idee gekommen, sie sei Schauspielerin. Ich lernte ja auch noch keine kennen. Wie nun wieder festgestellt, verlockt der Weg selbst Prominente. Ihnen will man dafür keine Sensibilität zutrauen. Zuletzt hat Hape Kerkeling seinen ehrlichen, kurzweilig zu lesenden Camino Bericht vorgelegt. Solche VIPs und die vielen Millionen namenlosen Unbekannten zeigen: Der Jakobsweg zieht an, bewegt Füße, Herzen u n d Seelen, selbst bei denen, bei denen man es eigentlich zuletzt erwartet - wie z.B. auch bei mir, dem Unsportlichem.

Aus großer Höhe
sind die Menschen unsichtbar
doch Herzen schlagen.

Die Traurigkeit wächst
mit dem Mehr an Entfernung
einsam ist das Herz.

Tief ist dann das Loch
mit allen Erlebnissen.
Mühsam ’s Rauskrabbeln.

Donnerstag, 25. Mai 2006

Burgos - Bilbao

Burgos - Bilbao


Burgos bietet eine Menge Sehenswertes. Zum Beispiel das Museum. In ihm fesselte mich das Bild einer Frau mit blauen Augen. Alle andern hatten braune. Warum haben die Menschen in den südlichen Gegenden weniger blaue Augen? Die Österreicher und Deutschen auf dem Abschiedsbild im Café vor der Kathedrale hatten sie. Während sie den Weg weiter marschierten, fuhr ich mit dem Bus nach Bilbao. Dort war das Leben großstädtischer, die Menschen besser angezogen. Pilger mit ihren Rucksäcken waren die Ausnahme im fröhlichen Treiben auf den breiten Boulevards. Ebenso im Guggenheim Museum, das ich wie erwähnt, wieder besuchte. Dort, an einem Zelt-Kunstwerk, zog der Weg, zogen Erlebnisse und Erfahrungen der Tage an meinem Auge vorbei. In den Dreizeilern vom 26./28.5.06 fasste ich diese Gedanken zusammen. Mit ihnen klingen diese „erläuternden“ Zwischenzeilen aus.


Der Körper erlebt
Glaube, Hoffnung, Erlösung
auf der Wanderung.

Der Klang der Flöte
begleitet den klaren Tag
unerschütterlich.

Auf dem Straßenmarkt
herrscht die fröhlichste Hektik
dort rollt der Euro.

Graziösität
in der Monumentalen,
die Kamera schwenkt.

Ein Bild verfolgt mich
hellblau sind diese Augen
die Tiefe haftet.

Beim Museumsgang
können die Augen aufgehn.
Auch Kleines fesselt.



Mittwoch, 24. Mai 2006

Atapuerca - Burgos

Atapuerca - Burgos

Ich hatte nur noch 23 km bis Burgos zu pilgern. Vor dem leichten Anstieg auf einen Hügel, lichtete ich den Hotel-Esel ab. Er hielt den Kirchenvorplatz von Unkraut frei. Der Weg führte an der schon erwähnten großen Ansammlung von kleineren und größeren Pyramiden vorbei. Die buschige Höhe, große Bäume vermisste ich, beherrschte ein übergroßes Kreuz. Seinen Fuß umgab ein schon recht hoher Steinhaufen, den Pilger aufschichteten. Verwundert hat mich, dass ich auf der bisherigen Strecke nur wenige Wegeskreuze sah. In meiner, überwiegend katholisch geprägten westfälischen Heimat findet man sie an fast jeder Bauernhofzufahrt. In den 18 Jahren als Heimatvereinsvorsitzender in Ahlen habe ich mich dort vehement u.a. für deren Pflege und Erhalt eingesetzt. In Aue und seiner erzgebirgischen Umgebung fehlen sie mir ebenso wie in Spanien auf dem Jakobsweg. Besonders auffällig war jedoch für mich eine Steinspirale in der Nähe des Kreuzes. Pilger werden sie gelegt haben. Einige der hellen Formsteine waren verrutscht. Ihr Liegeort war noch an den entsprechenden Kuhlen erkenntlich. Ich legte sie wieder an den alten Platz zurück. Nachdem ich die Bedeutung einer solchen Spirale meinen Mitläufern erklärt hatte, lief Gerds Frau als erste andächtig, konzentriert zum Mittelpunkt. Nach einer kurzen Besinnungspause, ging sie ebenso langsam die gegangene Strecke zurück. Sie überschritt, wie ihr aufgetragen, keine der seitlichen Begrenzungen. Dadurch hätte sie die aufgebaute Kreiskraft zerstört.

Viele solcher Spiralen sah ich schon. Auch in meinen Keltenbüchern. Bevor ich jedoch im März 2002 für drei Tage in Damanhur bei Turin in Italien war, wusste ich nichts von der magischen Bedeutung einer Spirale. (www.damanhur.org – s.a. meinen Bericht „Besuch in Damanhur“) Da ich ein Ägyptenfan und der dortigen unterirdischen Anlagen bin, horchte ich damals auf, als ich von Damanhur und seinen vor wenigen Jahrzehnten heimlich in einen Berg gebauten Tempeln erfuhr. Dort angekommen sah ich dann auch solche Steinspiralen. Folgendes blieb von den Erklärungen haften. Beim Begehen der Spirale werde der spirituelle energetische Prozess der inneren Sammlung gefördert. So könnten Botschaften empfangen werden, die aus der Tiefe, von weit her kämen. Denn die synchronischen Linien, die die Erde umlaufen und sie mit dem Universum verbinden, würden durch solch eine Spirale gebunden, wenn sie denn an einem bestimmten energetischen Platz ausgelegt sei. Unter Ausnutzung dieser Kräfte könne die Lebensenergie beim Begehen fokussiert und ausgerichtet werden. Das Begehen der Spirale sei, obwohl es so aussähe, kein Alleingang. Der Begeher könne offen werden für die Idee, dass jeder von uns Teil eines unendlichen, umfassenden Planes sei. Jedes noch so winzige Teilchen darin sei wichtig, keines entbehrlich. Dieser ins Innere führende Weg lehre, dass der Mensch zur unbekannten Mitte seines Seins finden soll, um die Allseele zu entdecken. Diese Sehnsucht schlummere in jedem von uns. Deshalb sei die Spirale als eine der Grundformen des Universums wohl die älteste spirituelle Form der Menschheit. Mir blieb verborgen, ob meine vier verwundert zuhörenden Begleiter mir dies abnahmen, bzw. verstanden. Ist auch egal. Jedenfalls erinnerte mich diese sorgfältig angelegte Stein-Boden-Spirale an große Erlebnisse in Damanhur.

Ich fand Sicherheit
tief in meinem Inneren
ohne Erwartung.

6 Wochen und mehr
plant mancher für den Weg ein.
Er ist sein Schicksal.

Ein Wadenbeißer
bringt einen nicht vom Weg ab, -
auch das lernt man mal.

Vergessen lern ich
Sonnenbrand, Blasen, Schmerzen
Der Weg gibt mir Kraft.

Mit meinen Schritten
verschiebe ich die Wertigkeit
von sonst Wichtigem.

Ätzend war der letzte Teil des Weges in die 163.000 Einwohner zählende Stadt Burgos. Er führte durch ein lang gezogenes Industriegebiet. Die angenehmere Strecke hatte ich verpasst. Die Kathedrale ist Innenstadt beherrschend. Düster und überladen fand ich sie. In ihr hatte ich das Gefühl, an jedem der Gold geschmückten Altäre klebe zudem noch das Blut der im Namen des Christentums brutal nieder gemachten Inkas und Mayas.

Dienstag, 23. Mai 2006

Villafranca de Oca - San Juan de Ortega - Atapuerca

Villafranca de Oca - San Juan de Ortega - Atapuerca

Der Weg gibt Nahrung
trotzdem braucht man’s Restaurante
Paella gibt Kraft.

Auch wenn sie schnarchen
findest du deinen Tiefschlaf
in der Herberge.

Harte Strecken gibt’s
auch sehr mystische Orte
die einen küssen.

Jeder von uns hat
seine Lebensaufgabe
man muss zu ihr stehn.

Ich hab’ eine Pflicht
gut für mich selbst zu sorgen.
Ich bin die Quelle.

Nimm stets was du brauchst
sei dankbar für ein Geschenk
umsonst gibt es nichts!

An einigen Orten wurde ich gefühlsmäßig darin bestärkt, daß hier heidnische Kultplätze zu finden sein müßten. Irgendwo in der Höhe von Ages verließ ich den Überlandbus. Den beiden früher so lustigen Franzosen sagte ich Adieu. Vor Atapuerca durchschneidet die kleine Strasse ein (wohl oval geformtes) Buschwäldchen. Mir waren dort Mistelbüschel aufgefallen. Sie fotografierte ich ebenso wie einen großen, stetig überlaufenden Wassertrog. Misteln waren den Druiden, den Priestern der Kelten, heilig. Über beide las ich viel und schrieb darüber im Rahmen meiner Keltenarbeit. So schaute ich mir diesen Platz intensiver an. Ich hatte den Eindruck, dass es ein besonderer Ort war. Er hatte für mich eine intensive Ausstrahlung. Bei Atapuerca selbst fand man in einer Höhle Überreste von 800.000 Jahre alten Menschen. Also ist die Gegend schon ewig besiedelt, hat schon immer eine besondere Anziehung ausgeübt. Ein Hinweis auf das zuvor Beschriebene. Bei der Heimat der ersten Europäer gab es eine schöne neue Herberge. Hier traf ich neben anderen das belgische Ehepaar wieder, von denen er vor einigen Jahren mit dem Rad von zu Hause nach Santiago gefahren war. Da er dabei nichts vom Land gesehen hatte, lief er nun den Weg mit seiner Frau von Pamplona aus.


Montag, 22. Mai 2006

Belorado - Tosantos -Villafranca Montes de Oca



Viele gehen den Weg
wobei jeder anders fühlt
man redet nicht viel.

Belorado folgte Tosantos, danach gab das halb verlassene Dorf Villambista ein schönes Fotomotiv ab. Mir ist der Dorfbrunnen in Erinnerung geblieben. In ihm kühlten zwei Polen ihre geschundenen Füße. Dort eröffnete die leichte Höhe einen weiten Blick in die zu durchlaufende grüne Eben mit dem in der Ferne verschwindenden Pilgerweg. Zu den Steinchen auf dem markanten Wegmarkierungsstein mit der Jakobsmuschel, fügte ich ein weiteres. Auch die herrliche Landschaft hinter der verfallenen Häuserreihe blieb haften. Das dort entstandene Foto halte ich für eins meiner besten. In Villafranca Montes de Oca gönnte ich mir im Dorfgasthof zum Mittag das Dreigang Tagesmenü. Das französische Rentnerpärchen traf ich dort wieder. Wegen ihrer Krankheit gaben sie hier auf. Voll gestopft und lustlos hatte ich beim Essen gelesen, es ginge nun steil hoch und zwölf km über eine Hochebene. So beschloss ich, die Franzosen einige km im Bus zu begleiten, obwohl mich auf dieser Wegstrecke die Kirche von San Juan de Ortega brennend interessiert hätte. Zur Tag- und Nachtgleiche, am 21. März und 21.September, beleuchtet in ihr „um 17 Uhr ein Lichtstrahl die Verkündigungsszene auf dem Kapitel links neben der Apsis; danach wandert der Lichtstrahl über die Geburt Christi zum Besuch der Heiligen Drei Könige, um nach zehn Minuten wieder für ein halbes Jahr zu verschwinden.“ So beschreibt’s „Der Weg ist das Ziel.“ Mir kam dabei die Pyramide des Kukulcán in Chichén Itzá Yukatan/Mexiko in Erinnerung. Sie wird als eine der bedeutesten Maya-Wallfahrtstätten des Postklassikums bezeichnet (Prem/Dyckerhoff, "Das Alte Mexiko", München 1986, S.97). Auch da planten deren Baumeister ein Lichtwunder ein. An den vorbenannten Tagen bewegt sich dort eine Lichtschlange über die Eckstufen der Pyramide, im März von der Spitze zur Basis und im September an der gegenüberliegenden Treppenseite von unten nach oben. Bei Erich von Däniken ist dieses Phänomen in "Die Spuren der Außerirdischen", München 1990 S. 97 bildlich festgehalten, beschrieben wirds von ihm auf S. 30f. Von anderen Großbauten, z.B. Stonehenge in England, sind solche Baueinplanungen bekannt. Auch die Kelten, mit denen ich mich in Bockau intensiv beschäftige, kannten diese Fixzeiten. Sie ermittelten sie durch Anvisierung von Sonnenauf- bzw. –untergang, dabei entsprechend ausgerichtete Peilsteine nutzend. Dass in einem christlichen Gotteshaus die Möglichkeit der Bestimmung dieser wichtigen Daten eingebaut wurde, habe ich noch nie gelesen.

Die ersten Kirchen in der Christianisierungsphase wurden auf Geheiß des Papstes überwiegend auf Stellen erbaut, auf denen zuvor ein „heidnischer“ Tempel stand. Für mich sind übrigens die Worte: Kirche, Gotteshaus, Tempel, Mosche, Kultort, heidnischer Ritenplatz oder Ähnliches von gleicher Bedeutung. Nutzten die Ingenieure der vorbezeichneten Kirche bei ihrer Errichtung nur schon dort Vorhandenes aus, gaben dem schon vorhandenen „Lichtwunder“ nur einen christlichen Hintergrund? Man möge mich vom Gegenteil überzeugen.

Nicht nur die Ausstrahlung des Weges stellte ich beim Wandern fest. Ich beschrieb ihn schon als einen lang gezogenen Ort der Kraft (Ley Line). Auf den bislang gelaufenen 200 Camino Kilometern, fielen mir darüber hinaus vielerorts markante Geländepunkte auf. Einige erinnerten mich an Grabhügel. Andere sahen wie Siedlungsplätze aus. Die Landschaft entlang des Pilgerweges bietet wahrscheinlich noch viel Unentdecktes. Nicht der Wanderer ist hier gefordert. Er beschäftigt sich mit sich selbst. Es ist die Archäologie, die den Spaten ansetzten sollte. Im Erfolgsfall könnte man meinen Eindruck, die Gesamtstrecke sei schon weit vor der Zeit der Christenheit genutzt worden, vielleicht beantworten.

Sonntag, 21. Mai 2006

Auf dem langen Weg/erfahr die Weite der Welt,/groß ist das Kleine.

Santo Domingo de la Calzada - Redecilla del Camino - Belorado

Auf dem langen Weg/erfahr die Weite der Welt,/groß ist das Kleine./

Wenn man ihn nicht mag, braucht man ihn nicht zu gehen. Jeder Pilger tut das freiwillig. Jederzeit kann er abbrechen. Trotz aller Schwierigkeiten geht er weiter, es sei, eine Krankheit zwingt zur Aufgabe. Mir begegnete ein Arzt aus Hamburg. Helmut erfroren fast Zehen im Schnee der Berge. Er lief in diesem Jahr von dem Ort weiter, wo er letztlich aufhören musste. Heidi aus München, etwa in meinem Alter. bekam vor mehren Jahren auf dem Weg einen Hörsturz. Sie lief trotz der Proteste ihrer Familie dieses Jahr wieder. Ich hätte mehrere von ihnen fotografieren sollen, nicht nur die tolle Landschaft. Von ihr geht etwas Faszinierendes aus. Dazu kommen noch die Kleinigkeiten, die mir auffielen und auf meinen Zetteln festgehalten wurden. So z.B. die kilometerlangen Betonröhren zwischen den Feldern. Durch sie führen die Bauern das kostbare Nass von entfernten Wasserstellen heran. Wer durch diese trockene Landschaft läuft, weiß wie lebensnotwendig nicht nur für uns das Wasser ist.

Sauber und adrett,
der Herbergswirt war Deutscher.
Gibt’s den Unterschied?

Er gibt ihm zurück
was ihm Gutes widerfuhr
an Gleichgesinnte.

Kein Pilger vermisst
jemals die Weltnachrichten -
in ihm ist alles.

Najera ist ganz nett. Das Restaurantessen war ok. Von Azofra blieb nichts haften. In Santo Domingo de la Calzada erstaunten mich die vielen nistenden Störche auf den Kirchen. Die Gemeinde am Rio Oja war ansprechend, auch die Herberge. Die Restaurant Chefin scheuchte ihren Mann, der mir und andern Pilgern erst ab 20 Uhr was zu Essen geben wollte. So konnte ich meinen leeren Magen schon vor 19 Uhr mit Fisch füllen. Überall entlang des Weges wunderte es mich stets, dass es ein reichliches Fischangebot gab. Es stammte weder hier noch anderswo aus Niedrigwasser führenden Flüssen, sondern wie sonst auch, aus dem Meer. In diesem Übernachtungsplatz erlebte ich die erwähnte Hochzeit. Weil der Ort mal Bischofssitz war, wird die Kirche als Kathedrale bezeichnet. Dem hochtrabenden Namen wird sie nicht gerecht. Auch nicht unter Berücksichtigung, dass sie Grabstätte des Stadtgründers, des Heiligen Domingo de Viloria ist, bzw., vielleicht als einzige Kirche auf der ganzen Welt, lebende Hühner beherbergt. Es kommen sonst viele in dies sehenswerte Gotteshaus, die sind aber nicht in einem gotischen Käfig eingesperrt. Sie dürfen frei herumlaufen. Die im Käfig krähten nicht, dafür die Freilandhühner um so mehr. Manchmal habe ich das ja ganz gerne. Manchmal geht’s mir aber auch auf den Keks. Wo was passt, passt’s.

Beim Weitermarsch über die alte Brücke Richtung Granón entstand beim Zurückblicken das erste Gedicht, das sich unter dem 20. 05. findet. In Granón selbst zeigte der deutsche Herbergswirt, der Feldwebel, stolz sein Ferien-Beschäftigungs-Feld. Ihm widmete ich den ersten Dreizeiler vom 21.5. Eine kleine Bar mit geschäftstüchtigen Inhabern gab’s. Die Stärkung, ein gut Wurst/Käse belegtes Baguette, schmeckte prächtig wie auch der Milchkaffee. Vier km weiter kam ich nach Redecilla del Camino. Geschafft war ich. Daher ließ ich das sehenswerte Taufbecken der Pfarrkirche aus dem 12.Jh. links liegen. Irgendwann hat der Läufer es satt, sich in allen Kirchen umzusehen, obwohl nahezu jede ein Kleinod ist. Man wird quasi mit Kunst erschlagen. Sie zu genießen, fehlt dann die Lust. Die bleibt anderem vorbehalten, dem Weg, den Empfindungen und so weiter. Das letzte Gedicht vom 23.5. drückt das aus. Der Wadenbeißer bezieht sich auf einen Vorfall in meinem dörflichen Gemeinderat. Helga las mir am Vorabend die wichtige eingegangene Post vor. An einem der Briefe hatte ich einige Zeit kräftig zu kauen.

Sei dankbar dem Schmerz
deines geschundenen Leibs.
Auch das ist Lernen.

Einen tiefen Sinn
erkennen wir nicht hier, jetzt,
erst später am Tor.

Dankbarkeit lernt man.
Findet zur Bescheidenheit -
und erinnert sich.

Wenn Regen und Wind,
Sonne und Staub dich quälen
reicht’s einfache Dach.

Nicht nur den Schatten
auch Stille lernt man schätzen -
und das Alleinsein.

Je länger ich lauf’
desto mehr treibt mich der Weg
über Stock und Stein.

Täglich auf’s Neue
läuft der Kampf gegen den Weg
tief im Inneren.

Erst am 10. Tag
ist der Schweinehund geschafft -
Sagt ein Althase.